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Klage des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Baden-Württemberg e.V. (BUND) gegen die Genehmigung der Erweiterung eines Rinderstalls auf 1.484 Tierplätze teilweise erfolgreich

Datum: 20.11.2023

Kurzbeschreibung: PRESSEMITTEILUNG vom 20. November 2023

Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart (Kammer für beschleunigte Baurechtsverfahren) hat mit Urteil vom 07.11.2023 (6 K 5636/21), dessen schriftliche Entscheidungsgründe nunmehr vorliegen, eine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung des Landratsamts Ostalbkreis für rechtswidrig erklärt, mit dem das Landratsamt Ostalbkreis einem Landwirt im Wesentlichen die Erweiterung seines Rinderstalls von derzeit 888 auf 1.484 Tierplätze sowie die Erweiterung der zeitweiligen Lagerung von Gülle und Gärresten von derzeit etwa 10.000 m³ auf etwa 20.000 m³ Fassungsvermögen genehmigt hat. Zugleich hat die Kammer die erheblich weitergehende Klage größtenteils abgewiesen.

Im Juli 2017 beantragte der Landwirt beim Landratsamt Ostalbkreis die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung. In der Folge führte das Landratsamt nach einer (negativen) Vorprüfung der Umweltauswirkungen zur Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung ein vereinfachtes immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren für die beantragte Erweiterung ohne Öffentlichkeitsbeteiligung durch. Mit Bescheid vom 13.03.2020 erteilte es dem Landwirt die beantragte immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung und machte diese öffentlich bekannt. Der vom BUND, einer anerkannten Umweltvereinigung, erhobene Widerspruch wurde vom Regierungspräsidium Stuttgart mit Bescheid vom 19.10.2021 zurückgewiesen. Am 25.11.2021 hat der BUND gegen die Änderungsgenehmigung und den Widerspruchsbescheid Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, dass das Landratsamt bei seiner Vorprüfung den Schadstoffeintrag durch Düngung und über die Luft in das Grundwasser nicht hinreichend geprüft habe. Das Bauvorhaben unterliege der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung und verstoße im Übrigen gegen naturschutzrechtliche Vorschriften, weil es geschützte Biotope beeinträchtige. 

Wesentliche Erwägungen der Kammer: 

Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Die vom BUND geforderte Aufhebung der Genehmigung scheidt aus, da diese keine derartigen Fehler aufweist. Die Kammer ist weiter davon überzeugt, dass die Landesbehörden die erforderliche Vorprüfung von Umweltauswirkungen des Vorhabens größtenteils korrekt durchgeführt und dabei nachvollziehbar begründet haben, wieso es keine erheblichen negativen Auswirkungen befürchten lässt. Nicht nachvollziehbar war für die Kammer allerdings, wieso es nicht zu schädlichen Auswirkungen des Vorhabens auf das Grundwasser in seiner Umgebung kommen kann. Die Ausführungen des Landratsamts hierzu genügen nach Ansicht der Kammer nicht in jeder Hinsicht dem wasserrechtlichen Verschlechterungsverbot hinsichtlich des Grundwassers in der Umgebung des Vorhabens. Für das Grundwasser ist dieses Verbot in § 47 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz normiert. Nach dessen Nr. 1 ist das Grundwasser insbesondere so zu bewirtschaften, dass eine Verschlechterung seines mengenmäßigen und seines chemischen Zustands vermieden wird. Diese Vorschrift verpflichtet im Zusammenspiel mit unionsrechtlichen Vorgaben die zuständigen Behörden bei Vorhabenzulassungen im Laufe des Genehmigungsverfahrens, und somit vor dem Erlass einer Entscheidung, zu prüfen, ob das Projekt negative Auswirkungen auf das Grundwasser haben kann. Es lässt sich aber nicht hinreichend erkennen, dass das Landratsamt in seiner Vorprüfung Auswirkungen auf den Grundwasserkörper durch die erhöhten Ammoniak- und Stickstoffeinträge über den Luftpfad in die nähere Umgebung überhaupt in den Blick genommen hat, was aber aus den Umständen des Einzelfalles - insbesondere jahrelang auffallend schlechter Grundwassermesswerte in der Umgebung der Hofstelle - geboten gewesen wäre und daher nachzuholen ist. Bis dahin ist die Änderungsgenehmigung nicht vollziehbar und der Landwirt darf solange nicht mit dem Bau seines Vorhabens beginnen. 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Berufung wurde nicht zugelassen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ist beim Verwaltungsgericht Stuttgart innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu stellen.

Hintergrundinformation zum Verwaltungsgericht Stuttgart

Das Verwaltungsgericht Stuttgart ist im Regierungsbezirk Stuttgart erstinstanzlich für alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zuständig, soweit sie nicht ausdrücklich anderen Gerichten zugewiesen sind. Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts erstreckt sich also fast ausschließlich auf solche Streitigkeiten, die sich auf das Verhältnis des Bürgers zum Staat beziehen, soweit dieser gegenüber dem Bürger als Träger hoheitlicher Gewalt handelt. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, für die die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig ist, sind etwa Streitigkeiten aus dem kommunalen Abgabenrecht, Asyl- und Ausländerrecht, Atomrecht, Baurecht, Beamtenrecht, Gewerbe und Gaststättenrecht, Hochschulrecht, Immissionsschutzrecht, Jugendhilferecht, Kommunalrecht, Luftverkehrsrecht, Polizeirecht, Schulrecht, Straßenrecht, Subventionsrecht, Versammlungsrecht und Wohngeldrecht. 

Hintergrundinformation zur Kammer für beschleunigte Baurechtsverfahren am Verwaltungsgericht Stuttgart: 

Die Kammer für beschleunigte Baurechtsverfahren am Verwaltungsgericht Stuttgart hat am 01.06.2023 unter dem Vorsitz von Vorsitzendem Richter Dr. Frank Wenger ihre Arbeit aufgenommen. Die Einrichtung dieser Kammer dient der Beschleunigung erstinstanzlicher Verfahren im Bereich des Bau- und Planungsrechts. In Umsetzung von § 188b VwGO sind dieser Kammer insbesondere umfangreichere Verfahren aus dem Immissionsschutzrecht und dem Baurecht wie Vorkaufsrechte nach dem Baugesetzbuch sowie Verfahren auf oder gegen Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheids, soweit diese nicht ausschließlich Werbeanlagen, Garagen, Carports, Stellplätze, Garten-, Gerätehütten, Einfriedungen und sonstige Nebenanlagen sowie Wohnbauvorhaben für weniger als sechs Wohneinheiten zum Gegenstand haben, zugewiesen.

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