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Pressekonferenz am 06. April 2011

Datum: 06.04.2011

Kurzbeschreibung: PRESSEMITTEILUNG vom 06.04.2011

Vorbemerkung:

Aserbaidschan hat seit dem Jahr 2011 eine Verwaltungsgerichtsbarkeit, die u.a. mit Hilfe von Experten aus dem Land Baden-Württemberg aufgebaut worden ist. Wir in Stuttgart blicken in diesem Jahr auf 65 Jahre Erfahrung im Rechtsschutz gegenüber der öffentlichen Gewalt zurück. Bereits im August 1945 trafen die amerikanischen Besatzungsbehörden im damaligen Württemberg-Baden Vorbereitungen für den Aufbau einer Verwaltungsgerichtsbarkeit, die durch Kontrollratsgesetz im Jahr 1946 in ganz Deutschland und in unserem Bereich durch Gesetz vom 16.10.1946 eingeführt worden ist. Die Geburtshelfer der deutschen Demokratie nach dem zweiten Weltkrieg gingen davon aus, dass es für den Aufbau und den Schutz einer demokratischen Gesellschaft nicht genügt, freie Wahlen, Parlamente, Grundrechte und Pressefreiheit zu garantieren, sondern dass es hierfür einer Dritten Gewalt im eigentlichen Sinne bedurfte, die unabhängig von den anderen agiert. Nur durch deren Wirken - so dachte man - könnten die Rechte der Bürgerinnen und Bürger gewahrt und gleichzeitig die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die öffentlichen Institutionen ihre Aufgaben zum Wohle der Allgemeinheit wahrnehmen.

Dieser Grundansatz ist heute so richtig wie vor 65 Jahren und in dieser Tradition hat das Verwaltungsgericht Stuttgart seine Arbeit auch im vergangenen Jahr ausgeführt. Dabei ist es an vielen Nahtstellen zwischen dem Einzelnen und der öffentlichen Hand (Bund, Land, Kreise, Gemeinden und andere wie z.B. Hochschulen) aktiv gewesen. Auch wenn es bei den Verfahren in der Regel um die Entscheidung von Einzelfällen ging, wird doch durch die Summe das System insgesamt geprüft und ggf. nachjustiert. So dient letztlich die Herstellung der Einzelfallgerechtigkeit auch der Stabilisierung des demokratischen Rechtsstaates. Die Angehörigen des Verwaltungsgerichts Stuttgart sind stolz, in dieser Tradition zu stehen und arbeiten daran, sie mit Leben zu erfüllen. Gerne haben wir deshalb Anfang des Jahres 2011 einer Delegation von Richterinnen und Richtern aus Aserbaidschan Einblicke in die Arbeit des Gerichts und in die Grundsätze des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gegeben.

I. Allgemeine Entwicklung beim Verwaltungsgericht Stuttgart im Jahr 2010

Arbeitsschwerpunkte:
Die im vergangenen Jahr zu bearbeitenden Verfahren haben das Gericht wieder mit vielen Fragen konfrontiert, die vor allem eines zeigen: Die Thematik der Abgrenzung der Rechte des Einzelnen gegen die Befugnisse der öffentlichen Gewalt ist so vielfältig wie es die Probleme und Entwicklungen in der Gesellschaft insgesamt sind. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass zahlreiche Prozesse die Aktualität aufgezeigt haben, die der genannte theoretische Grundansatz immer noch hatte und hat.

• Die Frage z.B., ob in einer Region an einem bestimmten Platz eine Wind-kraftanlage errichtet werden darf und ob öffentliche Planungen, die dies nicht zu-lassen, gültig sind, ist nicht nur für den Antragsteller und späteren Betreiber von (wirtschaftlicher) Bedeutung, sondern sie erfasst die derzeit immer brennender werdende Problematik des Ersatzes fossiler Brennstoffe oder hochgefährlicher Technologien durch regenerative Energiegewinnung.
• Ob das deutsche Glücksspielmonopol angesichts der Zunahme von Automa-tenspielstätten und im Internet angebotener Wetten europarechtlich zu halten ist, hat nicht nur den Gerichtshof der Europäischen Union beschäftigt, sondern auch dem Verwaltungsgericht Stuttgart eine große Zahl von Verfahren beschert, die nach dem derzeitigen Erkenntnisstand alle entschieden werden müssen. Mit dieser Aufarbeitung hat die zuständige Kammer im letzten Jahr begonnen.
• Ob die Bäume, die dem Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 im Wege standen, gefällt werden dürfen oder (noch) nicht, betrifft nicht nur das Naturschutzrecht und das Planfeststellungsrecht, sondern bewegt die Gemüter aller Interessierten. In einem dies betreffenden Verfahren wurde deutlich, wie bedeutsam Verfahrensgestaltung und Transparenz sind. Nicht nur Ergebnisse werden öf-fentlich diskutiert, sondern auch die Wege, wie sie entstehen.
• Ob ein Bürgerbegehren (Stuttgart 21, Fellbach/Manhattan und Nürtingen/Boss) zulässig ist oder nicht, ist nach den einschlägigen kommunalrechtlichen Bestimmungen sehr schwierig zu entscheiden. Die Öffentlichkeit erwartet in diesem Zusammenhang häufig eher Änderungen des Rechtszustands als seine Bewahrung. Das führt gelegentlich zu Missverständnissen.
• Wenn es stimmt, dass aus den Regelungen der Verpackungsverordnung folgt, dass das Duale System einem Landkreis für die Sammlung von Ver-kaufsverpackungen aus Papier, Pappe und Karton Gebühren nach kommu-nalrechtlichen Grundsätzen bezahlen muss, wird das gesamte System der Abfallentsorgung in diesem Segment auf den Prüfstand gestellt. Dies ist zwar nicht Inhalt, aber möglicherweise Folge einer verwaltungsgerichtlichen Ent-scheidung zu diesem Thema.
• Dass ein Grundstückseigentümer für die Verlegung einer privaten Ethylenpipeline enteignet werden darf, ist Folge eines Gesetzes, das auch auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüft werden muss. Die hier zu treffende Ab-wägung ist komplex und im Ergebnis durchaus streitig.
• Ob die öffentlich-rechtlich organisierte Industrie- und Handelskammer selber so etwas wie Wirtschaftsförderung betreiben und dafür die Beiträge der zwangsweise als Mitglieder erfassten Betriebe verwenden darf, ist juristisch nicht einfach zu beantworten, für die Öffentlichkeit steht in der Regel das Projekt selbst und nicht die verbandsrechtliche Frage im Vordergrund.
• Bei der Entscheidung über die Rücknahme der Anerkennung eines Dienstun-falls, der in einer Traumatisierung durch die tragischen Ereignisse des Amok-laufes von Winnenden bestand, waren rechtlich gesehen nur verwaltungsver-fahrensrechtliche Probleme zu klären, aber natürlich wurde das Verfahren auch unter anderen Aspekten wahrgenommen.

Für alle diese Beispiele, die aus der Arbeit des Gerichts im Jahr 2010 stammen und denen viele andere hinzugefügt werden könnten, gilt:
Natürlich kann und darf ein Gericht mit seinen Entscheidungen oder auch der Ge-staltung seiner Verfahren nicht von sich aus aktiv an der notwendigen öffentlichen Dis-kussion der teilweise brisanten und hoch streitigen Fragen teilnehmen. Es lässt sich aber auch nicht leugnen, dass das Verwaltungsgericht häufig juristische Grundsätze ausspricht, die Teil der öffentlichen Debatte werden und dies auch sein müssen. Diese notwendige Folge unserer Tätigkeit erklärt m.E. das große Interesse der Öffentlichkeit an unserer Arbeit.

Personalentwicklung:

Der Personalstand am Verwaltungsgericht Stuttgart ist im Jahr 2010 noch einmal - wenn auch geringfügig - gesunken. Es gab wie im Vorjahr 11 Fachkammern und 4 Spezialkammern (für Disziplinar- und Personalvertretungssachen). 80 Personen waren in Voll- und Teilzeit beschäftigt: 43 Richterinnen und Richter (42,50 AKA = Arbeitskraftanteile; im Vorjahr 46 Personen mit 44,5 AKA) und 37 weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (31,32 AKA; Vorjahr 31,3 AKA). Zum Jahresende waren alle Richterstellen besetzt. Im richterlichen Bereich waren 14 Frauen in Voll- bzw. Teilzeitbeschäftigung tätig, was einem Anteil von etwa einem Drittel (32,56 %) ent-spricht. Zum Jahresende waren zwei Frauen als Kammervorsitzende tätig, von denen eine in Teilzeit mit 0,5 AKA eine Kammer leitete. Im Bereich der anderen Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter ist der Anteil der Frauen deutlich höher, nämlich 31 von 37. Die Zahl der Bediensteten hat sich in diesem Bereich gegenüber 2009 nicht verringert. Mit dieser Belegschaft musste das Gericht die z.T. deutlich angestiegenen Eingänge an Klagen und Anträgen bewältigen.

Neueingänge:

Die Gesamtzahl der im Jahr 2010 neu eingegangenen Verfahren ist gegenüber den beiden Vorjahren deutlich angestiegen, wie sich aus der beigefügten Tabelle ergibt. Während es 2008 4.598 und 2009 4.572 Verfahren waren, gingen im Jahr 2010 ins-gesamt 5152 und damit 12 % mehr ein. In den allgemeinen Verwaltungsrechtssachen ist die die Zahl der Eingänge von 3.794 auf 4.145 gestiegen. Bei den Asylverfahren ist gegenüber dem Vorjahr ebenfalls eine Steigerung zu verzeichnen (von 778 auf 1.007 Eingänge).

Die Erledigungszahlen sind im Vergleich der beiden Jahre trotz der genannten Personalverringerung annähernd gleich geblieben (4.445 gegenüber 4.628 in 2009). Berücksichtigt man Vakanzen und den Personalabbau wird deutlich, dass dies nicht auf eine verringerte Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückzuführen ist. Die Richterinnen und Richter des Verwaltungsgerichts Stuttgart machen auch von den prozessualen Möglichkeiten der Entscheidung durch einen einzelnen Richter an Stelle der Kammer im Interesse einer zügigen Bearbeitung häufig Gebrauch.

Leider haben die Steigerung der Eingänge und die gleichzeitige Verringerung des Personals dazu geführt, dass der Bestand an anhängigen Verfahren am Jahresende angestiegen ist und zwar von 2.444 auf 3.151.

Verfahrensdauer:

Die hierzu beigefügten Tabellen machen deutlich, dass es dem Gericht gelungen ist, die bisherigen sehr guten Verfahrenslaufzeiten zu halten.

Die durchschnittliche Dauer eines Eilverfahren in allgemeinen Verwaltungsrechtssachen beträgt 1,8 Monate (Vorjahr 1,6) und bei Asylverfahren 1,3 Monate (Vorjahr 2,0). Das belegt, dass in dem für die Beteiligten immer wichtigeren einstweiligen Rechtsschutz kurzfristig und effektiv entschieden wird. Das ist ein wichtiger Bestandteil der verwaltungsgerichtlichen Arbeit und trägt wesentlich zum Ansehen des Gerichtes bei.

Auch die Dauer der Hauptsacheverfahren mit durchschnittlich 7,5 Monaten (Vorjahr 7,3) kann sich sehen lassen. Dasselbe gilt für die Asylverfahren, die durchschnittlich 8,0 Monate dauerten (Vorjahr 8,4). Damit wird in einer Zeitspanne von deutlich unter einem Jahr für eine meist endgültige Erledigung und damit auch für die Herstellung des Rechtsfriedens gesorgt, was eine der wesentlichen Aufgaben der Gerichtsbarkeit ist. Natürlich muss man bei diesen Zahlen beachten, dass die durchschnittliche Laufzeit sich auf alle Erledigungen bezieht und dass Verfahren, die durch eine gerichtliche Sachentscheidung beendet werden müssen, häufig über diesem Durchschnitt liegen dürften.

Ausgang der Verfahren:

Die Quote der stattgebenden Urteile ist gegenüber 2009 etwas gesunken (6,8 % gegenüber 8,2 %). Bei Asylverfahren ist sie deutlich gesunken (12,4 % gegenüber 32,7 %). In den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat sich die Zahl der stattge-benden Beschlüsse ebenfalls verringert (auf 22,4 % gegenüber 26,0 % im Vorjahr). Dasselbe gilt für Asylverfahren (14,8 % gegenüber 19,9 % im Vorjahr). Einzelheiten sind der anliegenden Tabelle zu entnehmen. Hinsichtlich der relativ geringen „Erfolgs-“ Quoten muss wie im Vorjahr darauf hingewiesen werden, dass in dieser statistischen Erfassung nicht die Fälle berücksichtigt sind, in denen aufgrund des prozessualen Fortgangs oder auf der Grundlage von Ermittlungen und Anregungen des Gerichts eine Lösung gefunden wird, die die Beteiligten zufriedenstellt, etwa durch Abschluss eines Vergleichs oder durch ein volles oder teilweises Nachgeben der Behörde, was zu einer Hauptsacheerledigung führt. Es ist eine der Stärken des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, dass - etwa im Rahmen von Erörterungsterminen und mündlichen Verhandlungen sowie bei Augenscheinsterminen vor Ort - eine ausführliche Erörterung der Sach- und Rechtslage stattfindet und dass durch richterliche Hinweise sich viele Dinge klären und damit eine streitige Entscheidung vermieden werden kann. Der Anteil an unstreitigen Erledigungen, zu denen auch die Klagerücknahmen gehören, betrug im Jahr 2010 bei den allgemeinen Verwaltungsrechtssachen 66,9%, d.h. nur 33,1% (880) mussten durch Urteil entschieden werden. Bei den Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes ist der Anteil der Entscheidungen (Beschlüsse) naturgemäß viel höher (96,6%; 903). In Asylverfahren ist die Urteilsquote mit 62% (437) deutlich höher. Die Eilverfahren mussten sogar zu 100% (149) entschieden werden.

Tätigkeitsbereich:

Im Jahr 2010 lagen bei den Eingängen in allgemeinen Verwaltungsrechtssachen (insgesamt 4.145) die wegen Sportwetten mit 780 an der Spitze (davon 142 Ver-fahren des vorläufigen Rechtsschutzes). An zweiter Stelle stehen Klagen und Anträge aus dem Bereich des öffentlichen Dienstrechtes, also Streitigkeiten von Kommunal- oder Staatsbeamten, die mit insgesamt 662 (Vorjahr 656) zahlenmäßig gleich geblie-ben sind. Aus dem allgemeinen Ausländerrecht gingen insgesamt 652 Verfahren ein (davon 253 Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes). Zählt man die 826 Klagen und 171 Eilverfahren, d.h. insgesamt 1007 Asylrechtseingänge (Vorjahr 778) dazu, ist zu erkennen, dass immer noch knapp ein Viertel der Verfahrenseingänge aus die-sen beiden Materien stammt. Die Streitigkeiten aus dem Bauplanungs- und Bauordnungsrecht haben nicht ganz das Niveau des Vorjahres (360) erreicht und lagen bei 300. Davon waren 92 Eilverfahren. Streitigkeiten wegen Fahrerlaubnisent-ziehung sind mit 203 auf dem Vorjahresniveau geblieben (215). Auch hiervon betraf ein hoher Anteil (123) Eilverfahren. Aus den bei den Verwaltungsgerichten verbliebe-nen sozialrechtlichen Materien (vor allem Jugendhilfe, Wohngeld und Schwerbe-hindertenrecht) kamen 172 Verfahren (gegenüber 166 im Vorjahr). Dazu kamen die Verfahren aus dem Gebiet des Bundesausbildungsförderungsrechtes mit 58 (gegenüber 57 im Vorjahr). Das Polizei und Versammlungsrecht (einschließlich Waffenrecht und andere Sondermaterien) erbrachte 91 (Vorjahr70) Eingänge.

Die für die Öffentlichkeit interessantesten Entscheidungen aus dem letzten Jahr können den auf der Internetseite des Verwaltungsgerichts Stuttgart verfügbaren Pressemitteilungen entnommen werden. Wegen der besonderen Rolle der Verwal-tungsgerichtsbarkeit ist es ein wichtiges Anliegen des Präsidenten, die Öffentlichkeit umfassend zu informieren. Hierzu erarbeiten zwei Pressesprecherinnen regelmäßig Pressemitteilungen, in denen auf Termine und Verhandlungen hingewiesen und vor allem Entscheidungen samt ihrer wesentlichen Begründung dargestellt werden. Im Jahr 2010 sind 38 solcher Mitteilungen verfasst und publiziert worden, die fast alle zu einem Echo in der regionalen und auch überregionalen Presse sowie bei sonstigen Medien geführt haben.
Außerdem wurden und werden bedeutsame Entscheidungen des Gerichts in vollem Wortlaut (in anonymisierter Form) über einen Link auf der Homepage des Verwal-tungsgerichts: http://vgstuttgart.de der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie zeigen die zu Beginn angesprochene große Bandbreite der Aufgaben des Gerichts.

Sonstiges:

Die Zusammenarbeit mit anderen Fachgerichtsbarkeiten wird gepflegt. Zwei Richte-rinnen des Verwaltungsgerichts waren mit ihrem Einverständnis an das Landessozi-algericht abgeordnet, um dort bei der Bewältigung der Verfahrensflut (vor allem im Bereich des Arbeitslosengeldes II) zu helfen.

Das Gericht hat sich im Juli 2010 an der vom Justizministerium initiierten ‚Woche der Justiz‘ beteiligt und dabei mehrere Schulklassen zu Gast gehabt, die über die Bedeu-tung seiner Arbeit informiert wurden und so einen lebendigen Eindruck von der alltäglichen Praxis der Rechtsanwendung bekommen konnten. Außerdem wurde in einer öffentlichen Podiumsdiskussion der Frage nachgegangen, wie die verwal-tungsgerichtliche Kontrolle sich in der Behördenpraxis auswirken kann und soll. Daran nahmen neben dem Präsidenten ein Vorsitzender Richter des Gerichts, ein Rechtsanwalt und ein Beamter der Landeshauptstadt Stuttgart teil.

Im April wurden die nach dem Gesetz jeweils für fünf Jahre zu bestellenden ehren-amtlichen Richterinnen und Richter gewählt, die durch ihre Beteiligung bei den Ver-handlungen und Entscheidungen mit dazu beitragen, dass die Rechtsprechung „im Namen des Volkes“ geschieht. Für die Gewählten wurde im Mai eine Informations-veranstaltung angeboten, in der sie ihr neues Tätigkeitsfeld und Grundzüge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens kennen lernen konnten. Diese gut besuchte Veranstaltung war Ausdruck der Wertschätzung, die ihre Einbindung in die verwal-tungsgerichtliche Rechtsprechung genießt.

Das Gericht war weiterhin in erheblichem Umfang in der Ausbildung des juristischen Nachwuchses und auch in der allgemeinen Bildung tätig. Nicht nur die Unterrichts-verpflichtung zahlreicher Richterinnen und Richter im Rahmen der Juristenausbildung und bei der Abnahme der juristischen Staatsprüfungen ist hier zu erwähnen, sondern auch die Betreuung von Rechtsreferendaren und Jurastudenten. Im Jahr 2010 wurden 43 Rechtsreferendare und 8 Schüler und Jurastudenten in Praktika von Richterinnen und Richtern des Gerichtes betreut.

Bedienstete des Gerichts nahmen an zwei Führungen in Stuttgart teil (Syrische Kunst im Landesmuseum und Architektur im Stuttgarter Westen). Außerdem fand eine ge-meinsamer Besuch der Synagoge der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württem-berg in Stuttgart statt. Im Gericht selber wurden unter dem Namen „Galerie im Zentrum“ insgesamt 5 Kunstausstellungen mit zahlreichen Künstlern aus verschiedenen Nationen durchgeführt. Diese werden meist in Zusammenarbeit mit dem Syrlin-Kunstverein, aber auch in Eigenregie des Gerichts veranstaltet. Zu den Vernissagen war immer ein zahlreiches Publikum anwesend, das die von den Künstlern als sehr gut geeignet bezeichneten Ausstellungsmöglichkeiten im Sitzungssaalbereich in Anspruch genommen hat.

Zukunftsperspektive:

Der Vergleich der Eingangszahlen des Jahres 2010 mit denen der Vorjahre zeigt, dass sich eine zahlenmäßige gesteigerte Inanspruchnahme des Verwaltungsgerichtes abzeichnet. Aufgrund der guten und effektiven Arbeit der Gerichtsangehörigen kann prognostiziert werden, dass das Verwaltungsgericht Stuttgart auch in Zukunft mit kurzen Laufzeiten für einen schnellen und effektiven Rechtsschutz sorgen kann und wird. Dass immer öfter Verfahren von hoher Komplexität und Bedeutung bewältigt werden müssen, ist eine Entwicklung, die seit Jahren erkennbar ist und die die Rolle des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, die zu Beginn dieser Presseerklärung skizziert worden ist, einmal mehr zeigt. Es muss daher Aufgabe dieses Gerichtes bleiben, trotz der reduzierten Personaldecke Kapazitäten für schwierige und umfangreiche Verfahren vorzuhalten, um gerade in den viele Menschen betreffenden Streitigkeiten in vertretbarer Zeit zu einem umfassend ermittelten und abgewogenen Ergebnis zu kommen. Das 66. Jahr der Stuttgarter Verwaltungsgerichtsbarkeit verspricht mindestens so spannend zu werden, wie das Jahr 1 der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Aserbaidschan.
II. Anhängige Verfahren von öffentlichem Interesse

1. Klagen wegen Polizeieinsatz am 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten

In 7 Klageverfahren begehren die Kläger die Feststellung, dass der Polizeieinsatz am 30.09.2010 im Stuttgarter Schlossgarten rechtswidrig war. Die Klagen sind gegen das vom Regierungspräsidium Stuttgart vertretene Land Baden-Württemberg gerichtet.

Die Kläger, die fast alle bei dem Polizeieinsatz verletzt wurden, erhoben am 28.und 29.10.2010 bzw. (eine Klägerin) am 29.12.2010 Klage beim Verwaltungsgericht (Az.: 5 K 4440/10, 5 K 4441/10, 5 K 4442/10, 5 K 4443/10, 5 K 4514/10, 5 K 4541/10 und 5 K 5338/10). Sie möchten vom Gericht festgestellt haben, dass die Aufforderung der Polizei, die Straße im Schlossgarten zu verlassen und die Androhung bzw. Anwendung des unmittelbaren Zwangs durch Einsatz von Wasserwerfern, Schlagstock und Pfefferspray rechtswidrig waren.
Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, sie seien Teilnehmer einer friedlichen Versammlung gewesen. Der durch die Polizeibeamten ausgesprochene Platzverweis sei rechtswidrig gewesen, da die Auflösung der Versammlung nicht wirksam angeordnet worden sei. Schon aus diesem Grund seien die Androhung und Anwen-dung der Zwangsmittel unzulässig gewesen. Im Übrigen sei der Einsatz von Was-serwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray unverhältnismäßig gewesen. Insbesondere sei das gezielte Ausrichten des Wasserstrahls der Wasserwerfer auf einzelne Perso-nen angesichts der fehlenden Gefahrenlage völlig überzogen gewesen.

Dem ist das beklagte Land mit einer bei Gericht am 23.02.2011 eingegangenen Klagerwiderung in allen Punkten entgegengetreten. Den Prozessbevollmächtigten der Kläger wurde nun die Möglichkeit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen.

Eine Terminierung ist Ende dieses Jahres vorgesehen.

2. Klagen wegen Polizeieinsatz am 25. Januar 2011 am Nordausgang des Stuttgarter Hauptbahnhofs

Seit 04.03.2011 sind zwei Klagen von Bürgern gegen das vom Regierungspräsidium Stuttgart vertretene Land Baden-Württemberg auf Feststellung der Rechtswidrigkeit von polizeilichen Maßnahmen in Form einer Ingewahrsamnahme, Identitätsfeststellung und erkennungsdienstlichen Maßnahme sowie eines Platzverweises anhängig (Az.: 5 K 808/11 und 5 K 810/11).

Am 25.01.2011 hatten sich ca. 40 Bürger morgens vor dem Bauzaun am Nordausgang des Stuttgarter Hauptbahnhofes zu dem dort regelmäßig jeweils dienstags stattfindenden sogenannten Bauzaunfrühstück eingefunden, darunter auch die Kläger.

Nach dem Vorbringen der Kläger sei die Menschenmenge, die die Baufahrzeuge nicht blockiert habe, plötzlich gegen 7 Uhr von ca. 150 Polizeibeamten eingekesselt und über Stunden daran gehindert worden, den Platz zu verlassen. Man habe den Klägern Nötigung vorgeworfen, sie dann erkennungsdienstlich behandelt und ihnen mündlich einen Platzverweis erteilt. Diese polizeilichen Maßnahmen seien rechtswidrig gewesen, weil die Zusammenkunft der Kläger mit anderen Bürgern eine Spontan-versammlung gewesen sei, die sowohl dem grundrechtlichen als auch dem ver-sammlungsrechtlichen Schutz unterliege und zwar solange, bis die Versammlung aufgelöst worden sei. Eine Auflösung der Versammlung habe jedoch nicht stattge-funden. Im Übrigen sei die Einkesselung von einer Vielzahl von auch unbeteiligten Bürgern, wie den Klägern, unverhältnismäßig und die Feststellung ihrer Identität sowie die Fertigung von Lichtbildern von ihnen unzulässig gewesen.

Zurzeit ist nicht absehbar, ob mit einer Terminierung noch in diesem Jahr gerechnet werden kann. Da die Verfahren erst seit kurzem anhängig sind, liegt derzeit auch noch keine Klagerwiderung des beklagten Landes vor.


3. Zwangsvollstreckung eines gerichtlichen Vergleichs:
Rußfilterpflicht für Baufahrzeuge und Baumaschinen im Zusammenhang mit S 21

In dem seit 10.02.2011 anhängigen Vollstreckungsverfahren beantragt ein Bürger aus Stuttgart gegen die vom Eisenbahn-Bundesamt vertretene Bundesrepublik Deutschland zur Durchsetzung eines gerichtlichen Vergleichs ein empfindliches Zwangsgeld anzudrohen. Weiter möchte der Bürger, dass die beigeladene DB Netz AG zur Zahlung eines Zwangsgeld verurteilt wird (Az.: 13 K 453/11).

Hintergrund ist ein am 03.12.2010 geschlossener gerichtlicher Vergleich in einem Eilverfahren, mit dem der Bürger erreichen wollte, dass das Eisenbahnbundesamt die Auflagen zur Vermeidung und Minderung von Staub- und Rußpartikelemissionen im Planfeststellungsbeschluss „Stuttgart 21“ gegenüber der DB Netz AG vollzieht (Az.:13 K 4188/10; s. auch Pressemitteilung vom 03.12.2010).
In dem Vergleich verpflichtete sich die DB Netz AG als (beigeladene) Vorhabenträ-gerin, sicherzustellen, dass die von ihr beauftragten Unternehmen bei allen Bau-maßnahmen im Zusammenhang mit dem Umbau des Bahnknotens Stuttgart („Projekt Stuttgart 21“) nur noch Baustellenfahrzeuge und Baumaschinen einsetzen, die serienmäßig über Rußpartikelfilter verfügen oder mit einer mindestens gleichwertigen, am Markt erhältlichen Technologie nachgerüstet worden sind. Ausgenommen von der Nachrüstungspflicht sind nach dem Inhalt des Vergleichs allerdings Fahrzeug- und Maschinenarten, für die eine solche Nachrüsttechnologie am Markt derzeit nicht verfügbar ist. Die DB Netz AG verpflichtete sich weiter, die Einhaltung dieser Zusage im Rahmen ihrer eigenen Bauüberwachung zu kontrollieren und von den beauftragten Unternehmen entsprechende Nachweise zu verlangen. Das Eisenbahnbundesamt ver-pflichtete sich seinerseits, die Einhaltung der Verpflichtungen der DB Netz AG im Rahmen seiner Bauaufsicht zu überwachen und zu dokumentieren.

Der Bürger macht gelten, dass auf der Baustelle zu S 21 weiterhin Baumaschinen und -fahrzeuge eingesetzt würden, die - nach den Vorgaben des Vergleichs - nicht eingesetzt werden dürften.

In diesem Verfahren wird möglicherweise in der 2. Aprilhälfte 2011 ein Termin zur - nicht-öffentlichen - Erörterung des Sach- und Streitstandes bestimmt werden.

4. Anspruch auf Fortschreibung des Luftreinhalte-/Aktionsplans für das Gebiet der Landeshauptstadt Stuttgart?

Mit seiner bei Gericht am 28.09.2009 eingegangenen Klage begehrt ein am Neckartor wohnender Stuttgarter Bürger vom Regierungspräsidium Stuttgart (welches das Land Baden-Württemberg vertritt), den Luftreinhalte-/Aktionsplan für Stuttgart vom Dezember 2005 dahingehend zu ergänzen, dass zum Schutz seiner Gesundheit zusätzliche Maßnahmen kurzfristig zu ergreifen sind, um die Gefahr der Überschreitung der Grenzwerte des Luftschadstoffes PM10 zu verringern und deren Dauer zu beschränken (Az.: 13 K 3683/09).

Ein Termin zur - nicht-öffentlichen - Erörterung des Sach- und Streitstandes wird vo-raussichtlich noch im 1. Halbjahr 2011 bestimmt werden.

5. Anspruch auf Aufstellung eines Luftreinhalte-/Aktionsplanes für Magstadt?

In dem seit 28.09.2010 anhängigen Klageverfahren gegen das vom Regierungsprä-sidium Stuttgart vertretene Land Baden-Württemberg möchte ein Bürger aus Magstadt, dass für das Gebiet seiner Gemeinde ein Luftreinhalteplan aufgestellt wird bzw. (hilfsweise) Messungen der Luftqualität durchgeführt werden (Az.: 13 K 3712/10).

Ein Termin zur - nicht-öffentlichen - Erörterung des Sach- und Streitstandes wird vo-raussichtlich im 2. Halbjahr 2011 bestimmt werden.


6. Gebühren für Waffenkontrolle

Mit der am 01.12.2010 bei Gericht eingegangenen Klage gegen das vom Landratsamt Esslingen vertretene Land Baden-Württemberg wehrt sich ein Waffenbesitzer gegen die Erhebung von Gebühren wegen Überprüfung der sicheren Aufbewahrung seiner Waffen (Az.: 5 K 4898/10) .

Seit der Waffenrechtsnovelle vom Juli 2009 können Behörden die sichere Aufbe-wahrung von Waffen und Munition unangekündigt kontrollieren, auch wenn kein Verdacht vorliegt, dass diese nicht sicher verwahrt sind (vgl. § 36 Absatz 3 des Waf-fengesetzes).

Der Kläger, der seit 2009 auch Jagdscheininhaber ist, besitzt 7 Lang- und 4 Kurz-waffen sowie einen Wechsellauf. Im Juni 2009 wies er gegenüber dem Landratsamt Esslingen die sichere Aufbewahrung seiner Waffen in einem Waffenschrank nach. Im Dezember 2009 führten Mitarbeiter des Landratsamtes beim Kläger eine unan-gemeldete - und beanstandungsfrei gebliebene - Überprüfung durch. Für diese Kontrolle setzte das Landratsamt mit Gebührenbescheid vom 21.01.2010 eine Gebühr in Höhe von 46,67 EUR fest.

Mit seiner hiergegen erhobenen Klage macht der Kläger u.a. geltend, für die Erhebung der Gebühr gebe es keine Rechtsgrundlage; insbesondere könne hierzu nicht die Gebührenverordnung des Landratsamtes Esslingen herangezogen werden. Auch habe der Sonderausschuss des Landtages von Baden-Württemberg zu den „Konsequenzen aus dem Amoklauf in Winnenden und Wendlingen“ im März 2010 empfohlen, bei verdachtsunabhängigen Kontrollen, die zu keiner Beanstandung geführt hätten, auf eine Gebührenerhebung zu verzichten

Eine Terminierung des Verfahrens steht noch nicht an.


7. Zeugen Jehovas

Mit ihrer bei Gericht am 11.03.2011 eingegangenen Klage gegen das vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport vertretene Land Baden-Württemberg begehrt die Glaubensgemeinschaft „Jehovas Zeugen in Deutschland“, dass ihr die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Wirkung für das Land Baden-Württemberg verliehen wird (Az.: 4 K 920/11).

Aufgrund ihres bereits im Jahre 1990 gestellten Antrags verlieh das Land Berlin den „Jehovas Zeugen in Deutschland“ im Juni 2006 die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Im Juli 2006 beantragte die Glaubensgemeinschaft die Verleihung der Körperschaftsrechte im Wege der Zweitverleihung auch in allen anderen Bundesländern, so auch in Baden-Württemberg. In der Folge entsprachen 11 der 15 übrigen Bundesländer diesem Antrag.

Das Land Baden-Württemberg hingegen lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11.02.2011 ab, da die Klägerin keine Gewähr der Rechtstreue biete.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, da sie bereits im Land Berlin die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen bekomme habe, sei es unzu-lässig, bei der Zweitverleihung der Körperschaftsrechte in einem anderen Bundesland nochmals alle Verleihungsvoraussetzungen umfassend zu prüfen. Insbesondere seien die anderen Bundesländer an die Bejahung ihrer Rechtstreue bei der Erstverleihung gebunden, zumal sie schon in dem Verwaltungsverfahren im Land Berlin angehört worden sei. Aber selbst wenn das Land Baden-Württemberg berechtigt wäre, nochmals alle Verleihungsvoraussetzungen zu überprüfen, wären ihr die Kör-perschaftsrechte zu verleihen, da sie alle diesbezüglichen Bedingungen erfülle, ins-besondere ihre Rechtstreue nicht in Zweifel stehe.
Eine nähere Begründung der Klage wird nach Akteneinsicht erfolgen. Wann es zu einer Terminierung kommt, ist deshalb derzeit nicht absehbar.

8. Klage gegen Angelusläuten

In diesem bei Gericht am 08.06.2010 eingegangen Verfahren wehrt sich ein Ehepaar aus Heilbronn gegen das werktägliche zweiminütige Angelusläuten um 7.00 Uhr morgens aus dem Glockenturm einer katholischen Kirchengemeinde (Az.: 5 K 2041/10). Nach Renovierungsarbeiten am Kirchturm hatte die Kirchengemeinde im November 2009 dieses morgendliche Angelusläuten nach über 60 Jahren wieder eingeführt.
Die unmittelbar neben der Kirche wohnenden Kläger machen geltend, von dem Glo-ckengeläut gingen erhebliche Lärmbelästigungen (83 bis 85 dB(A)) aus, wodurch sie in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt würden. Der Immissions-richtwert liege bei einem reinen Wohngebiet wie hier tags bei 50 dB (A). Auf das Schlafbedürfnis der Anwohner, insbesondere derjenigen, die Nachtschicht arbeiteten, werde in keiner Weise Rücksicht genommen. Auch habe die Kirchengemeinde mehr als 60 Jahre auf dieses Ritual verzichtet.
Die Kirchengemeinde hält dem entgegen, dass das (liturgische) Glockengeläut durch die vom Grundgesetz schrankenlos garantierte Glauben- und Religionsfreiheit ge-schützt werde und insoweit von den Klägern hinzunehmen sei. Auch werde aus Rücksicht gegenüber den Anwohnern die Sonntagsruhe eingehalten, die Dauer des Geläuts auf 2 Minuten beschränkt und mittels einer kleineren Glocke durchgeführt.

Ein Termin zur mündlichen Verhandlung in dieser Sache wird in der 2. Hälfte 2011 erfolgen.

9. Streit um Betriebszeiten eines Backhauses

In diesem bei Gericht am 20.07.2009 eingegangenen Verfahren geht es um die Ein-schränkung der Betriebszeiten eines Backhauses, das sich in einem Ortsteil der Stadt Weilheim/Teck befindet (Az.: 2 K 2749/09). Ein beim Verwaltungsgericht Stuttgart vom Kläger bereits durchgeführtes Eilverfahren war erfolglos geblieben.

Der Kläger wohnt ca. 15 m von dem Backhaus entfernt und rügt Rauchemissionen und Geruchsbelästigungen durch die Nutzung des Backhauses. Das Backhaus existiert seit 1847. Eine wegen der Nachbarbeschwerden von der Gemeinde eingeführte Benutzungsordnung mit Beschränkung der Nutzungszeiten (Backtage: Mittwoch bis Freitag von 6 bis 18 Uhr und samstags bis 15 Uhr) und auch eine technische Nach-rüstung der Anlage (u.a. Erhöhung des Schornsteins, Optimierung der Abgasver-brennung) hat nicht zur Befriedung geführt.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Stadt die Benutzungszeiten weiter auf (nur) zwei Tage in der Woche, ausgenommen Samstag und Sonntag, einschränken müsse, um unzumutbare Geruchsbelästigungen zu vermeiden. Die Stadt steht auf dem Standpunkt, es handle sich um eine traditionelle gemeindliche Einrichtung, deren Nutzung von den Nachbarn hinzunehmen sei.

Das Verfahren soll im Sommer dieses Jahres zur Terminierung kommen.

10. Dominastudio in Gewerbegebiet

Die Klägerin wendet sich gegen eine Nutzungsuntersagungsverfügung der Bau-rechtsbehörde der Stadt Esslingen vom Januar 2009 (Az.: 2 K 4087/09). Sie betreibt in einem Gewerbegebiet in Esslingen ein so genanntes Dominastudio, das in einem ehemaligen Wohngebäude betrieben wird.

Das Baurechtsamt ist der Auffassung, die Nutzung sei bauplanungsrechtlich unzu-lässig, weshalb sie zu unterlassen sei. Sie bezieht sich auf den für das Gebiet gel-tenden Bebauungsplan, der ein Gewerbegebiet festsetzt, in dem allerdings aus-drücklich Vergnügungsstätten und Gewerbebetriebe, die der gewerblichen Unzucht dienen, ausgeschlossen sind. Die Klägerin bezweifelt in dem Verfahren die Gültigkeit dieses Bebauungsplans und steht auf dem Standpunkt, die Nutzungsart sei als sons-tiges Gewerbe zulässig. Das Gebiet sei auch nicht als Sperrgebiet festgesetzt und im Übrigen gebe es in 600 m Entfernung ein schon längere Zeit von der Stadt geduldetes Bordell.

Die 2. Kammer wird im Rahmen dieses seit November 2009 anhängigen Verfahrens die Frage der Gültigkeit des Bebauungsplans mit beantworten müssen, da hiervon der Ausgang des Verfahrens abhängen dürfte.

Ein Termin zur mündlichen Verhandlung in dieser Sache ist Mitte des Jahres 2011 vorgesehen.

11. Erweiterung eines Lebensmittelmarktes in Stuttgart-Hedelfingen
(Az.: 13 K 4244/09)

Die Klägerin begehrt mit der am 16.11.2009 bei Gericht eingegangenen Klage, die Landeshauptstadt Stuttgart zu verpflichten, ihr die Baugenehmigung für die Erweiterung eines Lebensmittelmarktes in Stuttgart-Hedelfingen zu erteilen.

Die Klägerin hatte bei der Beklagten im November 2008 die Baugenehmigung für die geplante Erweiterung beantragt. Nach den eingereichten Plänen soll der Lebensmit-teldiscounter nach der Erweiterung eine Verkaufsfläche von rund 1.280 m² und eine Geschossfläche zwischen 1.740 und 1.750 m² aufweisen. Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, das für diesen Bereich ein Industriegebiet festsetzt. Die Beklagte lehnte den Bauantrag mit Bescheid vom 26.03.2009 ab. Sie begründete dies damit, dass das Vorhaben als großflächiger Einzelhandelsbetrieb im Industriegebiet nicht zulässig sei. Nach aktueller Rechtsprechung liege Großflächigkeit vor, wenn eine Verkaufsfläche von 800 m² überschritten werde. Dies sei hier mit rund 1.280 m² geplanter Verkaufsfläche der Fall. Eine Befreiung von der im Bebauungsplan festgesetzten zulässigen Art der Nutzung sei nicht möglich, da diese der planerischen Absicht, welche der Festsetzung eines Industriegebietes zu Grund liege, widersprechen würde. Den hiergegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2009 zurück. Im Klageverfahren besteht inzwischen auch Streit darüber, ob der einschlägige Bebauungsplan überhaupt rechtsgültig ist.

Die mündliche Verhandlung findet am Donnerstag, 14.04.2011, 10.15 Uhr im Saal 4 des Verwaltungsgerichts statt.

12. Klage gegen Nutzung eines Naturfreundehauses
(Az.: 13 K 1235/08)

Nachbarn eines Naturfreundehauses in Stuttgart-Degerloch begehren mit ihrer am 31.03.2008 beim Verwaltungsgericht eingegangenen (Untätigkeits-) Klage von der Landeshauptstadt Stuttgart ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Nutzung des Naturfreundehauses für Festveranstaltungen und Übernachtungen.

Die Nutzung des Gebäudes war im Jahr 1969 als Vereinsheim von der Stadt wider-ruflich genehmigt worden. Im Februar 2001 wurden baurechtliche Änderungen am Gebäude sowie der Einbau von Schlafkammern mit 8 Betten im Dachgeschoss wi-derruflich genehmigt. In Verbindung mit letzterem Genehmigungsverfahren wurde zwischen dem beigeladenen Verein und der Stadt ein öffentlich-rechtlicher Vertrag abgeschlossen, in dem sich der Beigeladene verpflichtete, das Gebäude nicht als öf-fentliche Gaststätte bzw. öffentlichen Beherbergungsbetrieb zu verpachten oder zu anderen, z.B. gewerblichen Zwecken zu nutzen oder nutzen zu lassen. Die Kläger machen geltend, dass der Verein das Naturfreundehaus nicht nur für satzungsgemäße Veranstaltungen und Beherbergung seiner Mitglieder nutze, sondern das Gebäude und das Grundstück zu gewerblichen Zwecken nutze und vermiete. Während der Freiluftsaison fänden auf dem Grundstück fast an jedem Wochenende größere - lärmintensive - Veranstaltungen statt. Aus diesem Grund beantragten sie bei der Stadt im April 2007, dem Beigeladenen die von ihnen für satzungswidrig erachtete Nutzung zu untersagen. Die Stadt lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 02.10.2007 ab, da nach ihrer Auffassung keine unberechtigte Nutzung des Vereinsheims vorliege. Die Kläger erhoben gegen den Bescheid am 07.11.2007 Widerspruch, über den die Widerspruchsbehörde bislang nicht entschieden hat.

Die mündliche Verhandlung findet am Donnerstag, 14.04.2011, 11.15 Uhr im Saal 4 des Verwaltungsgerichts statt.



13. Riesenrad Cannstatter Volksfest 2010
(Az.: 4 K 3176/10)

Die Klägerin, die Betreiberin eines Riesenrades ist, begehrt mit ihrer am 20.08.2010 beim Verwaltungsgericht eingegangen Klage gegen die Landeshauptstadt Stuttgart die Feststellung, dass die Ablehnung ihrer Zulassung zum Cannstatter Volksfest 2010 rechtswidrig war.

Die Klägerin macht geltend, dass die Auswahlentscheidung zugunsten eines Kon-kurrenten im Rahmen der Attraktivitätsbewertung fehlerhaft gewesen sei. Die Beklagte sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass beide Bewerber ein Rad mit 60 m Höhe hätten; tatsächlich sei das Rad des Konkurrenten einige Meter kleiner. Auch die günstigere Bewertung des Konkurrenten bei den Kriterien „Bemalung außen“, „Be-leuchtung außen“, „Geschäftsgröße/Abmessungen“, „Rückfronten“ und „Gondeln freischwingend/fest“ sei zu ihren Lasten unrichtig. Die Beklagte trägt vor, dass das Riesenrad des Konkurrenten nach den Bewerbungsunterlagen über eine Höhe von 60 m verfüge. Die Beklagte sei darauf angewiesen, dass wahrheitsgemäße Angaben gemacht würden, denn sie könne keine eigenen Nachforschungen zur Höhe der Räder anstellen. Die von der Klägerin angekündigte Umrüstung auf LED-Technik bei der Beleuchtung habe sie mangels Belegs durch Bildmaterial nicht berücksichtigen können. Der beigeladene Konkurrent ist der Klage entgegen getreten und macht geltend, die Klägerin gebe selbst die Höhe ihres Riesenrades zu hoch an.

Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist noch nicht festgelegt, aber für Sommer vorgesehen.


Presse011 Anhang

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