Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart hat mit Urteil vom 09. Februar 2023 dem Begehren eines Bordellbetreibers entsprochen, welcher beantragt hatte, festzustellen, dass bestimmte Pflichten nach dem Prostituiertenschutzgesetz vor der Entscheidung der Behörde über den Antrag auf Genehmigung eines Bordells noch nicht einzuhalten sind (Az. 4 K 4595/21). Die Kammer hat nunmehr die schriftlichen Entscheidungsgründe ihres Urteils den Beteiligten zugestellt.
Seit Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes zum 01.07.2017 benötigen Bordelle und andere Prostitutionsstätten eine besondere Genehmigung. Dies gilt auch für bereits zuvor bestehende Betriebe. Für die Zeit bis zur Entscheidung der Behörde über den Genehmigungsantrag gelten diese „Bestandsbetriebe“ zunächst als erlaubt.
Der Kläger betreibt im Stuttgarter Leonhardsviertel eine Prostitutionsstätte. Am 15.12.2017 beantragte er eine Erlaubnis nach dem Prostitutionsschutzgesetz. Über diesen Antrag hat die zuständige Landeshauptstadt Stuttgart bislang nicht entschieden. Zwischen dem Kläger und der Landeshauptstadt Stuttgart stand im Streit, ob einzelne neu eingeführte Verpflichtungen nach dem Prostituiertenschutzgesetz, insbesondere Anforderungen an die bauliche Situation des Betriebs und die Unterbringung der Prostituierten, bereits eingehalten werden müssen, solange die Behörde noch nicht über die Genehmigung der Prostitutionsstätte entschieden hat.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die Kammer stellte fest, dass der hier maßgebliche § 18 Abs. 2 Prostituiertenschutzgesetz auf die Prostitutionsstätte des Klägers bis zu einer Entscheidung über die Genehmigung des Betriebs nicht anwendbar ist. Nach den Mindestanforderungen dieser Vorschrift muss in Prostitutionsstätten unter anderem mindestens gewährleistet sein, dass die Prostitutionsstätte über eine angemessene Ausstattung mit Sanitäreinrichtungen für Prostituierte, Beschäftigte und Kundinnen und Kunden verfügt und die für sexuelle Dienstleistungen genutzten Räume nicht zur Nutzung als Schlaf- oder Wohnraum bestimmt sind.
Die Kammer begründet ihr Urteil mit der Systematik der einschlägigen Vorschriften und dem Zweck der im Gesetz enthaltenen Übergangsregelungen, welche es den vorhandenen Bestandsbetrieben vorübergehend ermöglichen sollen, zunächst im gegebenen Zustand – also ohne aufwändige und teure Umbauten – weiterbetrieben werden zu können, bis Klarheit darüber besteht, ob und unter welchen Voraussetzungen der Betrieb eine Genehmigung erhält.
Dem Urteil der Kammer war bereits ein entsprechender Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes am 10.01.2022 vorausgegangen (Az. 4 K 4596/21). Die von der Landeshauptstadt Stuttgart dagegen eingelegte Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 14. Oktober 2022 zurückgewiesen (Az. 6 S 270/22).
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der vollständigen Entscheidungsgründe einzulegen.