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Eilantrag einer Pflegeheimbetreiberin gegen heimrechtliche Anordnungen des Landratsamtes Esslingen größtenteils erfolgreich.

Datum: 12.03.2021

Kurzbeschreibung: PRESSEMITTEILUNG vom 12. März 2021

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 12. März 2021 dem gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten Antrag einer Pflegeheimbetreiberin (Antragstellerin) größtenteils stattgegeben, die sich unter anderem gegen eine vom Landratsamt Esslingen angeordnete Pflicht, dass sich das Personal des Pflegeheims dreimal pro Woche einer Testung in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus unterziehe, gewandt hatte (Az.: 18 K 641/21).

Das Landratsamt Esslingen hatte nach der Durchführung einer anlassbezogenen Prüfung in der Einrichtung unter anderem festgestellt, dass die Einrichtung über keine Antigentests verfügte und auch keine Testungen durch externe Anbieter angeboten wurden, weshalb es mit Bescheid vom 05.02.2021 der Antragstellerin unter anderem aufgab, dass sie dafür Sorge zu tragen habe, dass sich ihr Personal dreimal pro Woche einer Testung in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus unterziehe. Hiergegen hatte die Antragstellerin Widerspruch eingelegt und beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beantragt.

Zur Begründung hat die 18. Kammer ausgeführt, die Anordnung erweise sich bei summarischer Prüfung voraussichtlich als rechtswidrig. Die Anordnung sei ausweislich der Begründung des Bescheids des Landratsamtes Esslingen auf § 22 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 10 Abs. 2 Nr. 11 und 13 des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes (WTPG) gestützt worden, die Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlagen lägen nach Ansicht der Kammer nicht vor.

Hinsichtlich § 22 Abs. 1 Satz WTPG sei nicht erkennbar, dass sich das Erfordernis einer regelmäßigen Testung des Personals der Einrichtung der Antragstellerin in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus nach § 10 Abs. 2 Nr. 13 WTPG aus einer aufgrund des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes erlassenen oder nach § 30 WTPG weiter geltenden Rechtsverordnung ergäbe. Insbesondere handle es sich bei der vom Landratsamt Esslingen in dem Bescheid zur Begründung des Erfordernisses einer Testung des Personals angeführten Corona-Verordnung nicht um eine Rechtsverordnung aufgrund des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes. Diese beruhe ausweislich ihrer Eingangsformel vielmehr auf § 32 in Verbindung mit §§ 28 bis 31 und § 36 Abs. 6 des Infektionsschutzgesetzes.

Auch sei nicht ersichtlich, dass § 10 Abs. 2 Nr. 11 WTPG eine regelmäßige Testung der Beschäftigten verlange. Danach dürfe eine stationäre Einrichtung zwar nur betrieben werden, wenn der Träger und die Leitung einen ausreichenden Schutz der Bewohner vor Infektionen gewährleisten und sicherstellen, dass von den Beschäftigten die für ihren Aufgabenbereich einschlägigen Anforderungen der Hygiene eingehalten werden. Dass es für einen ausreichenden Schutz der Bewohner vor Infektionen und nach den einschlägigen Anforderungen der Hygiene allerdings einer wöchentlich dreimaligen Testung des Personals der Antragstellerin in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus bedürfte, vermochte die Kammer nicht festzustellen. Insbesondere könne dies nicht der Regelung in § 1h Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 Alt. 1 CoronaVO entnommen werden. Zwar dienten die in der Corona-Verordnung aufgestellten Ge- und Verbote nach § 1 CoronaVO gerade der wirksamen und zielgerichteten Reduzierung der Gefahr einer Infektion mit dem Coronavirus. § 1h Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 Alt. 1 CoronaVO sei jedoch aller Voraussicht nach rechtswidrig und deshalb ungültig, weil die Vorschrift nicht mit Verfassungsrecht vereinbar sei. Die Vorschrift stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht der Beschäftigten in Einrichtungen für Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes dar. Die in § 1h Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 Alt. 1 CoronaVO normierte Pflicht, sich dreimal pro Woche in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus testen zu lassen, sei zwar zur Erreichung eines legitimen Ziels, nämlich das Eintragsrisiko in eine stationäre Pflegeeinrichtung deutlich zu reduzieren, um dadurch einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der Bewohner stationärer Pflegeeinrichtungen als besonders vulnerable Gruppe zu leisten, geeignet, allerdings in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht erforderlich. Die Pflicht sei einzelfallunabhängig ausgestaltet. Ausnahmen von der Testpflicht seien nicht vorgesehen. Dass es einer derart starren Ausgestaltung der Testpflicht für einen hinreichenden Schutz der Bewohner der Einrichtungen zwingend bedarf, sei jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr sei als ein im Hinblick auf den Infektionsschutz ebenso geeignetes, aber für die Normadressaten milderes Mittel eine Ausgestaltung der Testpflicht denkbar, welche nach dem für die Bewohner einer Einrichtung tatsächlich bestehenden Risiko differenziere, indem das Bestehen der Testpflicht beispielsweise vom gegenwärtigen Bestehen einer COVID-19-Infektion in der Einrichtung, von der Inzidenz des jeweiligen Gebiets, von der Impfquote in der Einrichtung und vom Impfstatus des Normadressaten abhängig gemacht werde. Auch komme als milderes Mittel in Betracht, den Normadressaten zumindest die Möglichkeit einzuräumen, eine Ausnahme von der grundsätzlich bestehenden Testpflicht bei der zuständigen Behörde zu beantragen. Eine pauschale, sämtliches Personal von Einrichtungen für Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf einzelfallunabhängig und ohne Ausnahmemöglichkeit derselben Testungspflicht unterwerfende Vorschrift stelle sich als nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig dar.

Im Übrigen sei vom Landratsamt Esslingen nicht dargetan und nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung auch nicht ersichtlich, dass es für einen ausreichenden Schutz der Bewohner der Einrichtung der Antragstellerin vor Infektionen und nach den einschlägigen Anforderungen der Hygiene im Sinne von § 10 Abs. 2 Nr. 11 WTPG zwingend einer wöchentlich dreimaligen Testung des Personals in Bezug auf das Coronavirus bedürfte.

Gegen den Beschluss ist die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim gegeben, die innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe einzulegen ist.

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