Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 09.08.2016 die Klage der Stuttgarter Netz AG als unzulässig abgewiesen.
Die Stuttgarter Netz AG wollte mit der Klage verhindern, dass die DB Netz AG nach der Fertigstellung des unterirdischen Durchgangsbahnhofs das bestehende Gleisvorfeld des oberirdischen Stuttgarter Kopfbahnhofes abbaut, bevor hierfür ein Stilllegungsverfahren nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) durchgeführt wurde (s. Pressemitteilung vom 02.08.2016; Az.: 13 K 2947/12).
Die Stuttgarter Netz AG hält ein solches Stilllegungsverfahren für erforderlich, um ihr die Übernahme und damit den Erhalt des Gleisvorfeldes und des oberirdischen Stuttgarter Kopfbahnhofes zu ermöglichen. Die rechtliche Notwendigkeit für ein Stilllegungsverfahren nach dem AEG begründet die Stuttgarter Netz AG damit, dass es sich bei dem Projekt „Umbau des Bahnknotens Stuttgart/Stuttgart 21“ um die Neuerrichtung eines unterirdischen Durchgangsbahnhofs bei gleichzeitiger Stilllegung des oberirdischen Kopfbahnhofes einschließlich des zugehörigen Gleisvorfeldes handle.
Dieser Rechtsansicht ist das Gericht nicht gefolgt. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei dem „Umbau des Bahnknotens Stuttgart/Stuttgart 21“ um ein ausschließlich planfeststellungspflichtiges Änderungsvorhaben nach dem AEG, für das ein zusätzliches Stilllegungsverfahren nicht erforderlich ist.
Dabei ging das Gericht bei seiner Entscheidung davon aus, dass die Begriffe „Strecke“ und „Bahnhof“ im Sinne der Stilllegungsvorschriften des AEG nicht in einem anlagen-technischen, sondern in einem funktionalen Sinne zu verstehen seien. Mit Strecke seien daher nicht die konkreten Gleisanlagen – wie etwa des Gleisvorfeldes - gemeint, sondern die Bahnverbindung zwischen zwei Orten. Dementsprechend sei auch mit dem Begriff Bahnhof im Sinne der Stilllegungsvorschriften nicht die konkrete bauliche Bahnhofsanlage gemeint, sondern der Abfahrts- und Bestimmungsort einer Strecke.
Ausgehend von diesem funktionalen Begriffsverständnis werde durch den „Umbau des Bahnknotens Stuttgart/Stuttgart 21“ weder der Betrieb von Strecken von und nach Stuttgart noch der Betrieb des Stuttgarter Hauptbahnhofes auf Dauer eingestellt. Es blieben vielmehr auch nach dem „Umbau des Bahnknotens Stuttgart/Stuttgart 21“ sämtliche bisher zwischen Stuttgart und anderen Bestimmungsorten bestehenden Bahnverbindungen erhalten. Im Rahmen des Projekts Stuttgart 21 würden lediglich die Streckenführungen dieser Strecken geändert, um diese an den künftigen unterirdischen Durchgangsbahnhof anzubinden.
Ebenso wenig werde der Stuttgarter Hauptbahnhof im Rahmen des Projekts Stuttgart 21 vom Schienennetz genommen. Es werde vielmehr lediglich die Bahnhofsanlage von einem oberirdischen Kopfbahnhof in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof umgebaut. Als Abfahrts- und Bestimmungsort von Zugverbindungen bliebe der Stuttgarter Hauptbahnhof dagegen erhalten. Sämtliche Baumaßnahmen im Zusammenhang mit dem Teil-Projekt Stuttgart 21 „Umbau des Bahnknotens Stuttgart/Stuttgart 21“ seien daher ausschließlich als planfeststellungspflichtige „Änderungen von (Bahn-)Betriebsanlagen“ im Sinne der Regelungen des AEG zur Planfeststellung einzustufen.
Zugleich stellte das Gericht aber auch fest, dass der Rückbau des Gleisvorfeldes ohne vorherige Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens rechtlich unzulässig sei. Da die Stuttgarter Netz AG in diesem Planfeststellungsverfahren ihre Interessen noch geltend machen und gegebenenfalls auch gerichtlich durchsetzen könne, fehle es ihr an dem für das vorliegend geltend gemachte vorbeugende Unterlassungsbegehren notwendigen besonderen Rechtsschutzinteresse und sei die Klage aus diesem Grund bereits unzulässig.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Gericht die Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim sowie die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Die unterlegene Stuttgarter Netz AG hat nun die Möglichkeit, innerhalb eines Monats nach Zustellung der vollständigen Entscheidungsgründe, die noch nicht vorliegen, entweder Berufung beim Verwaltungsgerichtshof oder Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht einzulegen.