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Vorschlagsliste für die Wahl der ehrenamtlichen Richter am Verwaltungsgericht Stuttgart - Eilantrag teilweise erfolgreich

Datum: 16.09.2025

Kurzbeschreibung: PRESSEMITTEILUNG vom 16. September 2025

Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart hat mit heute bekannt gegebenem Beschluss vom 12.09.2025 (5 K 8212/25) den Landkreis Heilbronn verpflichtet, seine Vorschlagsliste für die Wahl der ehrenamtlichen Richter für das Verwaltungsgericht Stuttgart für die Wahlperiode 2025 bis 2030 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu aufzustellen. Damit war der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz des nicht auf die Vorschlagsliste zur Wahl als ehrenamtlicher Richter aufgenommenen Antragstellers, der zugleich Mitglied der Fraktion der Alternative für Deutschland (AfD) im Kreistag Heilbronn ist, erfolgreich; der gleichlautende Antrag seiner Fraktion wurde abgelehnt. 

In seiner Sitzung am 28.07.2025 beschloss der Kreistag des Landkreises Heilbronn, 46 Personen für die Vorschlagsliste zur Wahl der ehrenamtlichen Richter beim Verwaltungsgericht Stuttgart für die Wahlperiode 2025 bis 2030 zu bestimmen. Hierzu stimmte der Kreistag über die zuvor von der Geschäftsstelle des Kreistags entsprechend der jeweiligen Fraktionsstärke angeforderten Listen der Fraktionen mit der von ihnen danach vorzuschlagenden Anzahl an Personen jeweils separat ab. Die Kandidatenliste der AfD-Fraktion mit sieben Personen wurde abgelehnt, die Kandidatenlisten der übrigen Fraktionen wurden angenommen. Die sieben Kandidaten der AfD-Fraktion wurden durch von den übrigen Fraktionen vorgeschlagene Personen ersetzt. Der Abstimmung im Kreistag ging eine Diskussion im Verwaltungsausschuss des Kreistags voraus. Im Rahmen dieser Diskussion wurde ein Geschäftsordnungsantrag zur separaten Abstimmung über die Liste der AfD-Fraktion damit begründet, dass „die AfD Positionen vertrete, die die freiheitliche demokratische Grundordnung missachten“. Hiergegen wandten sich die Antragsteller mit ihren gleichlautenden Anträgen auf einstweiligen Rechtsschutz.



Wesentliche Erwägungen der 5. Kammer:

Der Antrag des nicht auf die Vorschlagsliste zur Wahl als ehrenamtlicher Richter aufgenommenen Antragstellers, der zugleich Mitglied der AfD-Fraktion im Kreistag Heilbronn ist, ist zulässig und begründet. Der Antragssteller ist durch die offenkundig willkürliche Nichtaufnahme in die Vorschlagsliste in seinem verfassungsrechtlichen Anspruch auf gleichen Zugang zu einem öffentlichen Amt verletzt. Die offenkundige Willkür ergibt sich daraus, dass über Listen der Fraktionen abgestimmt worden ist, ohne dass es auch nur einen Anhaltspunkt dafür gibt, dass die Abstimmung gleichwohl personenbezogen war. Das zentrale Erfordernis der Personenbezogenheit der Abstimmung über die Kandidaten für die Vorschlagsliste ergibt sich jedoch zwingend aus dem Erfordernis der persönlichen Eignung einer Person für die Wahl zum öffentlichen Amt des ehrenamtlichen Richters am Verwaltungsgericht (Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz). Eine willkürliche Entscheidung ist jedenfalls dann offensichtlich, wenn sich aus der Verfahrensweise und der Dokumentation der Kreistagssitzung sowie der vorbereitenden Ausschüsse keinerlei Hinweise auf eine Personenbezogenheit der Abstimmung über die Aufstellung der Vorschlagsliste ergeben. Wie der Landkreis Heilbronn im gerichtlichen Verfahren selbst eingeräumt hat und wie es sich auch aus den Sitzungsprotokollen des Kreistags sowie des Verwaltungsausschusses ergibt, wurde über keinen der vorgeschlagenen Kandidaten personenbezogen abgestimmt. Vielmehr wurde die Liste der AfD-Fraktion ohne Prüfung der vorgeschlagenen Personen abgelehnt, allein weil sie von dieser Fraktion eingebracht worden war.

Der erforderliche Personenbezug wäre insbesondere dann anzunehmen, wenn über die vorgeschlagenen Personen im Wege der Einzelabstimmung entschieden worden wäre. Der Abstimmungsmodus der Einzelabstimmung ist geeignet, da über die Aufnahme einer jeden Person gesondert entschieden wird.

Der gleichzeitig gestellte Antrag der AfD-Fraktion im Kreistag Heilbronn ist hingegen unzulässig, weil eine Verletzung ihrer Rechte von vornherein ausscheidet. Insbesondere steht der Fraktion nicht der personenbezogene Anspruch auf gleichen Zugang zu einem öffentlichen Amt zu (Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz). Die Fraktion wurde auch nicht in ihren organschaftlichen Rechten verletzt. So wurde über die Kandidatenliste der AfD-Fraktion ebenso wie über die Kandidatenlisten der anderen Fraktionen gesondert abgestimmt. Die Listen der anderen Fraktionen haben jedoch die qualifizierte Mehrheit erreicht (vgl. § 28 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung). Im Übrigen belassen die gesetzlichen Vorgaben dem Landkreis einen Gestaltungsspielraum, welches Verfahren er zur Aufstellung der Vorschlagsliste wählt. Maßgeblich für die Auswahl der Kandidaten für die Vorschlagsliste ist nicht die anteilige Repräsentation von Parteien, sondern deren Eignung für das Amt des ehrenamtlichen Richters und insbesondere das Nichtvorliegen von in der Person des Kandidaten begründeten Ausschlussgründen.

Gegen den Beschluss der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg erhoben werden.



Hintergrundinformationen

Zu den ehrenamtlichen Richtern am Verwaltungsgericht: 

Die Auswahl der ehrenamtlichen Richter am Verwaltungsgericht erfolgt in zwei Schritten: Zunächst erstellen die Kreise und kreisfreien Städte Vorschlagslisten, auf die sich Interessierte bewerben oder berufen lassen können. Anschließend wählt ein Wahlausschuss, bestehend aus dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts, einem von der Landesregierung bestimmten Verwaltungsbeamten und sieben vom Landtag gewählten Vertrauensleuten, jeweils für fünf Jahre die am Verwaltungsgericht benötigte Anzahl an Personen aus den Vorschlagslisten der Landkreise und der kreisfreien Städte aus. Der Präsident des Verwaltungsgerichts bestimmt die erforderliche Zahl von ehrenamtlichen Richtern, und zwar derart, dass voraussichtlich jeder zu höchstens zwölf ordentlichen Sitzungstagen im Jahr herangezogen wird. Besondere Sach- oder Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.

Zu den Voraussetzungen, die jeder ehrenamtliche Richter am Verwaltungsgericht erfüllen muss, sowie zu dessen Aufgaben wird auf den Leitfaden für ehrenamtliche Richterinnen und Richter der Verwaltungsgerichtsbarkeit verwiesen, abrufbar auf der Internetseite des Ministeriums der Justiz und für Migration Baden-Württemberg.

 

In der Pressemitteilung zitierte Vorschriften:

Art. 33 Grundgesetz

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

 

§ 28 Verwaltungsgerichtsordnung

Die Kreise und kreisfreien Städte stellen in jedem fünften Jahr eine Vorschlagsliste für ehrenamtliche Richter auf. Der Ausschuß bestimmt für jeden Kreis und für jede kreisfreie Stadt die Zahl der Personen, die in die Vorschlagsliste aufzunehmen sind. Hierbei ist die doppelte Anzahl der nach § 27 erforderlichen ehrenamtlichen Richter zugrunde zu legen. Für die Aufnahme in die Liste ist die Zustimmung von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder der Vertretungskörperschaft des Kreises oder der kreisfreien Stadt, mindestens jedoch die Hälfte der gesetzlichen Mitgliederzahl erforderlich. Die jeweiligen Regelungen zur Beschlussfassung der Vertretungskörperschaft bleiben unberührt. Die Vorschlagslisten sollen außer dem Namen auch den Geburtsort, den Geburtstag und Beruf des Vorgeschlagenen enthalten; sie sind dem Präsidenten des zuständigen Verwaltungsgerichts zu übermitteln.

 

Hintergrundinformationen zum Verwaltungsgericht:

Das Verwaltungsgericht Stuttgart ist im Regierungsbezirk Stuttgart erstinstanzlich für alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zuständig, soweit sie nicht ausdrücklich anderen Gerichten zugewiesen sind. Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts erstreckt sich also fast ausschließlich auf solche Streitigkeiten, die sich auf das Verhältnis des Bürgers zum Staat beziehen, soweit dieser gegenüber dem Bürger als Träger hoheitlicher Gewalt handelt. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, für die die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig ist, sind etwa Streitigkeiten aus dem kommunalen Abgabenrecht, Asyl- und Ausländerrecht, Atomrecht, Baurecht, Beamtenrecht, Gewerbe und Gaststättenrecht, Hochschulrecht, Immissionsschutzrecht, Jugendhilferecht, Kommunalrecht, Luftverkehrsrecht, Polizeirecht, Schulrecht, Straßenrecht, Subventionsrecht, Versammlungsrecht und Wohngeldrecht.