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Ein afghanischer Staatsangehöriger, der aus einem Ausbildungscamp der Taliban für Selbstmordattentäter geflohen ist, ist als Flüchtling anzuerkennen

Datum: 11.07.2011

Kurzbeschreibung: PRESSEMITTEILUNG vom 11.07.2011

Das hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 21.06.2011 entschieden und der Klage eines afghanischen Staatsangehörigen gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft stattgegeben (Az.: A 6 K 749/11).

Der 35-jährige Kläger reiste im Juli 2010 nach Deutschland ein. Seinen Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Februar 2011 ab. Hiergegen erhob der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart. und trug u.a. vor, er sei von den Taliban in ein Ausbildungscamp nach Miramshah verschleppt worden, wo sei er „geschult“ worden. Er habe ständig beten und den Regeln der Taliban folgen müssen. Man habe ihm bedeutet, dass er in den Kampf müsse, und auch ein Selbstmordattentat sei angesprochen worden. Er habe dann erfahren, dass zwischenzeitlich Regierungsvertreter bei seiner Mutter gewesen seien, die ihm nun vorwerfen würden, für die Taliban zu arbeiten. Er werde also sowohl durch die Taliban, deren Verstecke er kenne, als auch durch die Regierung verfolgt.

Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts führte aus:

Der Kläger sei in Afghanistan wegen seiner (vermeintlichen) politischen Überzeugung durch den afghanischen Staat sowie durch nichtstaatliche Akteure - den Taliban - verfolgt worden, ohne dass er eine innerstaatliche Fluchtalternative gehabt habe. Er habe vorgetragen, die Taliban hätten ihn verschleppt, weil sie zunächst gemeint hätten, er arbeite für die Amerikaner und die Regierung. Aus Angst habe er sich als gläubigen Moslem ausgegeben, der die „Ungläubigen“ nicht möge. Er sei daher von den Taliban in ein Ausbildungscamp in den Bergen mitgenommen worden. Er sei ideologisch geschult worden und in die Methoden eines Selbstmordattentäters eingewiesen worden. Da er aber niemanden töten könne und wolle, sei ihm die Flucht gelungen. Nun habe er sowohl Angst vor den Taliban, die ihn als Verräter betrachteten, als auch vor dem afghanischen Staat, dem bekannt geworden sei, dass er in einem Ausbildungscamp der Taliban gewesen sei, und der bei seiner Mutter auch schon nach ihm gesucht habe. Dieses Vorbringen sei glaubhaft. Somit sei das Leben des Klägers wegen seiner politischen Überzeugung bedroht. Eine Fluchtalternative innerhalb des afghanischen Staates habe dem Kläger nicht zur Verfügung gestanden, da er sowohl vom Staat als auch von den Taliban verfolgt worden sei und damit zwischen zwei „gefährlich heißen Stühlen“ gesessen sei, wie er sich ausdrückt habe.

Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu stellen.

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