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Eilantrag des Compact Magazin gegen die Verlegung einer Versammlung vom Marktplatz in Wertheim auf einen Verkehrsübungsplatz erfolgreich

Datum: 17.05.2024

Kurzbeschreibung: 

PRESSEMITTEILUNG vom 17. Mai 2024

Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart hat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 17.05.2024 (3 K 3254/24) entschieden, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen Auflagen zur räumlichen Verlegung einer angemeldeten Versammlung wiederhergestellt wird.

Die Antragstellerin ist ein Nachrichtenmagazin und meldete für den 18.05.2024 um 17:00 Uhr eine Versammlung unter dem Motto „Die Blaue Welle rollt – für ein gutes Deutschland“ an. Die Stadt Wertheim erließ am 14.05.2024 einen Bescheid, mit dem der Antragstellerin durch für sofort vollziehbar erklärte Auflagen aufgegeben wurde, die Versammlung nicht auf der Fläche auf dem Marktplatz, sondern auf einem Verkehrsübungsplatz hinter der Main-Tauber-Halle durchzuführen. Gegen diese Auflagen wandte sich die Antragstellerin mit ihrem Eilantrag.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Der Antrag ist zulässig und begründet.

Die Voraussetzungen für eine Verlegung der Versammlung auf den Verkehrsübungsplatz hinter der Main-Tauber-Halle liegen nicht vor. Es fehlt an einer von der Versammlung ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, da für die Kammer nicht nachvollziehbar ist, dass auf dem 739 m² großen Marktplatz kein ausreichender Platz für die Versammlung zur Verfügung steht. 

Soweit die Stadt Wertheim ausführt, dass für eine Veranstaltung auf dem Marktplatz bei einer Gesamtfläche von 739 m² nur 200 m² zur Verfügung stünden und diese Fläche bei einem Bedarf der Antragstellerin von ca. 270 m² nicht ausreiche, ist dies für die Kammer nicht nachvollziehbar. Denn die Stadt führt zur räumlichen Begrenzung aus, dass diese durch die genehmigten Außenbewirtschaftungsflächen, die Marktstände, die Informationsstände der politischen Parteien und die notwendigen Rettungswege gegeben sei.

Hinsichtlich der Markstände gilt jedoch, dass der Markt am Tag der Versammlung um 13:00 Uhr endet. Daraus folgt, dass die Marktstände der Versammlung der Antragstellerin, die erst um 17:00 Uhr beginnen soll, räumlich nicht entgegenstehen. Dass bei Hinwegdenken der Markstände weiterhin zu wenig Platz für die Kundgebung der Antragstellerin auf dem Marktplatz vorhanden wäre und sich hieraus eine von der Versammlung ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit ergeben würde, ist aus der Sicht der Kammer nach dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Belegungsplan des Marktplatzes nicht nachvollziehbar.

Hinsichtlich der Außenbewirtschaftungsflächen und insbesondere der Informationsstände der politischen Parteien ist die Stadt zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es nicht allein auf das Prioritätsprinzip ankommt, sondern eine Abwägung der verschiedenen rechtlich geschützten Interessen erforderlich ist. Hiernach ist in die erforderliche Abwägung einzustellen, dass sich die Inhaber der Außengastronomie auf die Berufsfreiheit, die politischen Parteien hinsichtlich ihrer Informationsstände auf die Meinungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und Artikel 21 Abs. 1 GG und die Besucher der Außengastronomie sowie der Informationsstände zumindest auf die allgemeine Handlungsfreiheit berufen können. Andererseits kann sich die Antragstellerin selbst auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit stützen.

Bei dem vorzunehmenden schonenden Ausgleich der widerstreitenden Interessen ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Versammlung der Antragstellerin um eine einmalige und zeitlich begrenzte Versammlung handelt, während die Außengastronomie und die Informationsstände der politischen Parteien an allen anderen Tagen sowie auch am 18.05.2024 außerhalb des Zeitraums der Versammlung der Antragstellerin stattfinden können. Hieraus folgt, dass es als zumutbar erscheint, die rechtlich geschützten Interessen der Außengastronomie und der Informationsstände der politischen Parteien für den Zeitraum der Versammlung der Antragstellerin zurücktreten zu lassen.

Hinzu kommt, dass die Stadt der Antragstellerin auch keinen anderen innerstädtischen Versammlungsort angeboten hat oder hat anbieten konnte. Vielmehr wurde der Antragstellerin lediglich ein Verkehrsübungsplatz hinter der Main-Tauber-Halle angeboten und der Versammlungsort schließlich mit der angegriffenen Verfügung dorthin verlegt. Diese Verlegung des Versammlungsortes ist für die Antragstellerin jedoch unzumutbar, weil sie der Versammlung die Wahrnehmbarkeit nahezu vollständig nimmt und damit einem Verbot der Versammlung nahekommt.

Soweit die Antragsgegnerin in ihrer Erwiderung zum ersten Mal darauf verweist, dass es im Hinblick auf die beteiligten Gruppierungen ein erhebliches Konflikt- und Gefährdungspotential beim Aufeinandertreffen der unterschiedlichen zu erwartenden Personengruppen auf zu engem Raum gebe, ist der Vortrag zur Gefährdungseinschätzung unsubstantiiert und erschöpft sich in Behauptungen ohne auf etwaige konkrete Tatsachen in der Vergangenheit Bezug zu nehmen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Gegen den Beschluss kann Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim erhoben werden.

Hintergrundinformation zum Verwaltungsgericht Stuttgart:

 Das Verwaltungsgericht Stuttgart ist im Regierungsbezirk Stuttgart erstinstanzlich für alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zuständig, soweit sie nicht ausdrücklich anderen Gerichten zugewiesen sind. Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts erstreckt sich also fast ausschließlich auf solche Streitigkeiten, die sich auf das Verhältnis des Bürgers zum Staat beziehen, soweit dieser gegenüber dem Bürger als Träger hoheitlicher Gewalt handelt. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, für die die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig ist, sind etwa Streitigkeiten aus dem kommunalen Abgabenrecht, Asyl- und Ausländerrecht, Atomrecht, Baurecht, Beamtenrecht, Gewerbe und Gaststättenrecht, Hochschulrecht, Immissionsschutzrecht, Jugendhilferecht, Kommunalrecht, Luftverkehrsrecht, Polizeirecht, Schulrecht, Straßenrecht, Subventionsrecht, Versammlungsrecht und Wohngeldrecht.

 

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